|
|
Es war der erste Schultag und ich hatte eine Freistunde. Was sagte man denn dazu? Ich war positiv überrascht und auf Physik konnte ich eh verzichten. Deshalb schlich ich nun neugierig durch die Schule, auf der Suche nach etwas Interessantem. Das sollte ich auch finden, als ich auf eine Tür mit der Aufschrift "Musik" traf. Ich grinste und warf einen Blick den Flur hinab, dann stellte ich mich dicht vor die Tür und lauschte. Da keine Geräusche zu mir heraus kamen, ging ich davon aus, dass niemand dort war. Nach einem kurzen Versuch stellte ich fest, dass die Tür nicht verschlossen war. Ich öffnete sie und betrat einen echt großen Raum. Auf einer Bühne stand ein Flügel und ich bestaunte das schöne schwarze Instrument vor den schweren Vorhängen. Ich atmete tief den Geruch ein und ging langsam auf die Bühne zu, sprang leichtfüßig hinauf. Da ich nur auf den Flügel fixiert gewesen war, fielen mir jetzt erst das Schlagzeug und zwei Halterungen für Gitarren auf. In der einen stand ein dunkelroter Bass, in der anderen eine schlichte Akustikgitarre. Da ich selbst spielte, musterte ich die Saiteninstrumente glückselig und strich über den hölzernen Gitarrenhals. Ja, hier fühlte ich mich definitiv wohl. Nun wollte ich nur noch lieber weiterstöbern und gucken, was für Schätze ich hier noch fand.
Und hinter dem einen Vorhang stand mein fast am meisten geliebtes Instrument. Eine hocker-artige Kiste aus Holz, die recht schlicht aussah. Ich holte das Ding hervor und setzte mich breitbeinig darauf. Sachte schlug ich mit der flachen Hand dagegen und ein rasselnder Klang ertönte. Zufrieden grinste ich und begann zu trommeln. Ich besaß selbst so ein tolles Gerät- auch Cajón genannt- und machte fast nicht lieber, als darauf zu spielen. Leise sang ich dazu eine Melodie, die Darell, mein Erstatzvater, immer gesummt hatte. Dabei vergaß ich völlig meine Umgebung, was auch an der Lautstärke meines Klopfens und Trommelns liegen konnte.
Wege müssen wir gehen, damit wir erfahren, ob es die richtigen sind.
Erster Schultag und alles war so verlaufen, wie ich es die ganze Fahrt über hierher geplant hatte. Zuerst hatte ich selbst bedenken gehabt, ob dem Direktor meine gefälschten Papiere nicht auffallen würden, aber Steve hatte so gut Arbeit geleistet, das man die Fälschungen nicht von den Originalen unterscheiden hatte können. Daher war ich nun offiziell hier Schülerin, auch wenn ich mich noch nicht ganz entschieden hatte, auf welche Fächer ich meinen Schwerpunkt legen würde. Es gab noch einiges worüber ich mir Gedanken machen musste, doch das würde ich ganz sicher nicht heute tun und vor allem nicht hier. Mit einem vorläufigen Stundenplan in der Hand, lief ich langsam durch die Gänge, wobei ich das Blatt ein paar Mal mit meinen Augen überflog. Wirklich anders als auf meiner alten Schule war es nicht, außer das ich hier nicht unter den wachsamen Augen meiner Eltern stand, die immer jeden Schritt und Tritt von mir verfolgt hatten. Während ich an meine Eltern dachte zog ich mein Handy aus meiner Gesäßtasche und schrieb meinem Bruder eine Nachricht, denn er war der einzige in der Familie, dem ich vertraute und den es auch wirklich interessierte, wie es mir ging. Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann fehlte er mir, doch es war meine Entscheidung gewesen abzuhauen und ich bereute es keine Sekunde lang. Gerade als ich mein Handy wieder zurück in meine Tasche gleiten lies, drangen Trommelklänge an mein Ohr, die immer lauter wurden, je weiter ich lief. Schließlich stand ich vor einer Türe mit der Aufschrift 'Musik' und da meine Neugierde über meinen Verstand siegte, zog ich einfach leise die Türe auf und trat hinein. Ein wenig verblüffte es mich schon, das ich statt eines einfachen Unterrichtsraumes einen kleinen Saal vorfand, doch mein Blick heftete sich sofort auf den Kerl, der auf der Bühne saß. Von ihm kamen also diese Trommelklänge und bei genauerem Hinhören konnte ich sogar Gesang von ihm vernehmen. Statt umzudrehen und wieder zu gehen, lief ich langsam die Stufen hinunter, vorbei an den Zuschauerplätzen und hin zur Bühne, wobei ich so fasziniert von den Klängen war, das ich selbst ganz vergaß, das ich mir hier eigentlich reingeschlichen hatte und das ich eigentlich im Schatten hatte bleiben wollen.
Unterbewusst registrierte ich sofort, dass die Tür am anderen Ende des Saals aufging, aber anscheinend befand es mein Verstand als unwichtig. So widmete ich mich weiter den schönen Klängen und es störte mich nicht, dass meine Armbänder rhythmisch mitklimperten und mir hin und wieder eine meiner Dreads ins Gesicht fiel. Allerdings schloss sich die Tür wieder und jemand kam näher. Wenn das jetzt ein Lehrer war, könnte das entweder gut, oder schlecht sein. Die Lehrer hier waren zwar cool bisher, aber am Ende war ich doch unerlaubt in einen Raum gegangen, der wertvolle Gegenstände beinhaltete. Deshalb unterbrach ich meinen Gesang und hob den Blick. Mein Trommeln verklang abrupt, als ich keinen Lehrer entdeckte. Überhaupt, diese Person hatte mit einer pädagogischen Aufsicht recht wenig gemein. Es war ein blondes Mädchen, vermutlich nicht viel jünger oder älter, als ich. Mit einem Grinsen strich ich mir nun doch meine Haare aus dem Gesicht und legte den Kopf schief. Hi. grüßte ich amüsiert und trommelte leise weiter, sodass ich sie verstehen könnte, sollte sie mir antworten.
Wege müssen wir gehen, damit wir erfahren, ob es die richtigen sind.
Sich anschleichen zählte wohl nicht zu meinen vielen Talente, die ich irgendwo besaß, denn wäre das so, dann wäre ich sicher unbemerkt geblieben. Jedoch war ich nun bis kurz vor dir Bühne gelangt, als die Trommeln plötzlich verstummten und nun die Aufmerksamkeit auf mir lag. Auf meinen Zügen bildete sich ein entschuldigender Gesichtsausdruck, denn stören wollen hatte ich ihn wirklich nicht. "Hi... Tut mir Leid, ich wollte dich nicht stören..." Wie immer wenn ich ertappt war, fuhr ich mir einmal mit meiner Hand durch meine blonden Haare. Erst jetzt kam mir meine unüberlegte Aktion hier reichlich dämlich vor, denn ich konnte ja nicht überall immer herein platzen, nur weil ich neugierig war. Jedoch versuchte ich mir das alles nicht anmerken zu lassen und setzte stattdessen ein freundliches Lächeln auf meine Lippen, das ich in den letzten Jahren perfektionieren konnte. "Du machst das wirklich sehr gut", sagte ich an ihn gewand und deutete auf den Kasten auf dem er saß. Mit außergewöhnlichen Instrumenten kannte ich mich weniger aus, dafür wusste ich aber was sich gut anhörte. Mit ein wenig Schwung setzte ich mich auf den Rand der Bühne und sah zu ihm hoch, da er in dieser Position immer noch etwas größer war als ich selbst. Und da ich nicht unhöflich sein wollte und irgendwo doch auch ein paar Manieren hängen geblieben waren, stellte ich mich ihm vor. "Ich heiße übrigens Teresa."
Da sie mich auf einmal so entschuldigend ansah, schüttelte ich schnell grinsend den Kopf und winkte mit einer Hand ab, die andere immernoch am Instrument. Ach, du störst nicht. beruhigte ich sie. Während sie anscheinend in Gedanken versunken war, musterte ich sie noch einmal kurz. Sie war ein gutes Stück kleiner als ich, würde ich mal vermuten, und hatte echt schöne Haare. Ich lächelte, als sie sagte, dass ich gut spielte. Es freute mich immer, wenn anderen meine Musik gefiel. Danke, ich versuch's. erwiderte ich und neigte leicht den Kopf. Sie setzte sich auf den Bühnenrand, was mich amüsiert schmunzeln ließ. Offensichtlich wollte sie mir noch Gesellschaft leisten und das fand ich sehr gut. Ich hatte gern Menschen um mich herum. Als sie sich als Teresa vorstellte, grinste ich sie fröhlich an.
Freut mich, ich bin Erik. stellte ich mich ihr ebenfalls vor. Ich hätte ja noch sowas wie "Du kannst mich so und so nennen" rangehängt, aber aus meinem Namen ließ sich beim besten Willen kein Spitzname ableiten.
Wege müssen wir gehen, damit wir erfahren, ob es die richtigen sind.
Für einen Moment beobachtete ich seine Mimik, denn oft sagte jemand, das man nicht störte, aber in Wirklichkeit tat man es dann doch. Er jedoch schien seine Worte genauso zu meinen wie er es gesagt hatte und daher wurde mein Lächeln nun auch etwas wärmer und der Platz am Bühnenrand war gut gewählt. "Wie lange spielst du schon?", fragte ich nun mit echtem Interesse, denn ich selbst konnte mich nur im Klavierspielen behaupten, alles andere ging bei mir völlig unter. Daher war ich auch zuvor von seinen Trommelklängen so fasziniert gewesen und hatte einfach nicht halt machen und wieder umdrehen können. Als er sich nun als Erik vorstellte, da nickte ich ihm lächelnd zu. "Freut mich ebenfalls. Da du hier auf der Bühne sitzt nehme ich an das du schon länger auf dieser Schule hier bist, oder?" Eigentlich war das frei von mir geraten, aber vielleicht konnte er mir ja helfen mich hier etwas zurecht zu finden, auch wenn ich die ganze Zeit über ein mehr als schlechtes Gewissen haben würde. Immerhin konnte ich niemandem sagen wer ich wirklich war, musste also immer Lügen, denn meine Eltern durften mich einfach nicht mehr vor meinem 18. Geburtstag finden.
Bei ihrer Frage musste ich gar nicht überlegen. Die Antwort war einfach und ich erzählte es gern.
Seit ich knapp acht Jahre alt war. Das hat mein...ein guter Freund der Familie mir beigebracht. antwortete ich ihr freundlich. Fast alle musikalischen Dinge hatte ich von ihm gelernt, nur gesungen hatte ich schon immer. Aber Gitarre spielen hatte ich auch von ihm gelernt und ich war dafür mehr als dankbar. Jetzt war ich aber auch neugierig. Spielst du auch ein Instrument? fragte ich sie und wartete gespannt auf die Antwort.
Leider nahm sie falsch an, als sie schlussfolgerte, ich sei schon länger hier an der Schule. Andererseits freute es mich ein wenig, dass ich ihrer Meinung nach wohl hierher gehörte. Trotzdem schüttelte ich den Kopf und winkelte mein eines Bein an. Haha, ähm, nein. Ich bin ehrlich gesagt auch so neu, wie man nur sein kann. Ich komme nicht mal aus L.A. gab ich grinsend zu. Da sie nicht wusste, dass ich nicht von hier kam, ging ich davon aus, dass sie ebenfalls neu war. Das war doch gut, oder? Waren wir schon zu zweit und außerdem kam sie mir sympathisch vor.
Wege müssen wir gehen, damit wir erfahren, ob es die richtigen sind.
"Ich spiele Klavier seit ich drei Jahre alt bin." Das meine Eltern mich damals dazu gezwungen hatten, das ließ ich nun einfach mal außen vor, denn inzwischen tat ich es wirklich gerne auch wenn ich damals oft auf die Barrikaden gegangen war. Als Kind konnte man sich eben schönere Dinge vorstellen als vier Mal die Woche zum Klavierunterricht zu gehen. Bei ihm hingegen hörte es sich so an, als hätte er schon immer sehr viel Spaß daran gehabt. "Wirklich? Du bist neu hier? Das hätte ich nun wirklich nicht erraten. Du wirkst so selbstsicher hier oben, als wärst du nicht zum ersten Mal hier. Aber ich bin auch neu, erst heute hier angekommen. Schön zu wissen das ich nicht die einzige bin, die sich hier dann erst einfinden und alles kennen lernen muss." Es tat wirklich gut das zu wissen, denn als einzige Neu irgendwo zu sein, war nicht gerade immer so einfach.
Bei ihrer Antwort lächelte ich. Der Klang dieser großen Instrumente gefiel mir unglaublich gut und ich hatte es immer geliebt, wenn in der Stammkneipe von Darell jemand auf dem alten Klavier etwas vorgespielt hatte. Trotzdem hatte ich nie den Wunsch geäußert, es zu lernen. Immerhin hatte ich mit dem Gitarre und Cajón spielen schon genug zu tun als Achtjähriger. Doch da ich es liebend gern tat, fand ich es nicht anstrengend oder gar nervig, ich freute mich immer am meisten auf unsere Übungsstunden.
Sie klang echt überrascht, als sie nachfragte, ob ich tatsächlich neu sei. Tja, ich musste bestätigend nicken und grinste sie breit an. Wenn ich so gedankenverloren war, kriegte ich nicht mit wie ich auf andere wirkte, aber offensichtlich ja gut. Hm, danke? Naja, wenn ich einmal am Musik machen bin, achte ich null auf meine Umgebung. Da passiert es schonmal, dass man das falsch interpretiert. erklärte ich ihr gut gelaunt. Es war ein echter Vorteil, weil ich so eigentlich überall Musik machen konnte und immer ganz gut ankam. Sowohl auf der Straße als auch in Clubs oder Bars, man nahm mich oft gern für kleine Auftritte.
Ich lächelte sie an, wir könnten uns ja auch ein wenig zusammen umsehen. Ja, da hast du wohl recht. Wir können uns ja gemeinsam auf Klassenzimmersuche und sowas begeben. schlug ich ihr dann vor.
Wege müssen wir gehen, damit wir erfahren, ob es die richtigen sind.
Lächelnd schwang ich mich nun ganz auf die Bühne, sodass ich an ihm vorbeilaufen und mich auf den Hocker vor den großen Flügel setzen konnte. "So einen hatten wir zu Hause auch...",sagte ich leise und mehr für mich, aber da er ziemlich nahm beim Flügel saß, hatte er mich sicher hören können. Diese Erinnerung kam mir nicht in den Sinn weil ich mein zu Hause vermisste, sondern weil mein Bruder und ich immer gemeinsam davor gesessen und gespielt hatten, vor allem an Abenden, an denen unsere Eltern mal wieder besonders anstrengend gewesen waren. Sanft ließ ich meine Finger über die glatten Tasten geiten und schlug leicht einen Ton an. "Ich weiß genau was du meinst. In der Musik kann man sich einfach verlieren. Aber vielleicht hat es auch nur so auf mich gewirkt weil du dich hier auf der Bühne wohl zu fühlen scheinst." Nun legte ich auch noch meine zweite Hand auf die Tasten und begann eine ruhige Melodie zu spielen, die in den noch ruhigeren Raum hinein klang. "Das würde mich freuen. So müssen wir das ganze Neue hier nicht alleine bewältigen." Nach einem Zwinkern wendete ich mich wieder dem Klavier zu und ließ meine Finger weiter über die Tasten gleiten, auch wenn ich für diese Melodie gar nicht mehr darauf achten musste, welchen Ton ich anschlug.
Ich sah ihr neugierig dabei zu, wie sie nun ganz auf die Bühne kam. Teresa ging an mir vorbei zum Flügel und setzte sich, wollte sie etwas spielen? Ich stützte meine Arme auf meinen Knien ab und guckte ihr einfach zu. ...Hatten? fragte ich ruhig nach. Ich wollte jetzt nicht sonst welche Geheimnisse von ihr erfragen, aber sie hörte sich gerade so traurig an. Waren sie vielleicht umgezogen, oder mussten ihren Flügel verkaufen? Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, doch es konnte keine schöne Erinnerung sein. Sie begann zu spielen und ich lauschte begeistert. Es klang so rein und friedlich, einer der Gründe, weshalb ich Klaviere so toll fand.
Ich nickte bei ihrer Feststellung, doch sie sah mich ja nicht an, deswegen fügte ich schnell noch ein paar Worte hinzu. Ja, ist wirklich so. Und irgendwie fühle ich mich auch wohl, gut erkannt. ich musste grinsen. Hier würde ich wohl öfter meine Pausen oder Freistunden verbringen, wenn ich nicht noch eine bessere Beschäftigung fand oder Leute, mit denen man seine Zeit sinnvoll verbringen könnte. Das wäre cool. Welche Leistungsfächer belegst du? fragte ich dann. Es wäre ja praktisch, wenn wir auch Unterricht zusammen hätten, zumindest manchmal. Es wäre auch sehr unwahrscheinlich, dass wir immer genau die gleichen Kurse hätten. Doch da sie offensichtlich Klavier spielte, konnte ich mir gut vorstellen, dass sie sich eventuell für Musik entschieden hatte.
Wege müssen wir gehen, damit wir erfahren, ob es die richtigen sind.
Besucher
0 Mitglieder und 6 Gäste sind Online Wir begrüßen unser neuestes Mitglied: Aileen Evangeline DeMontalban |
Forum Statistiken
Das Forum hat 243
Themen
und
2226
Beiträge.
Heute waren 0 Mitglieder Online: |
Forum Software ©Xobor.de | Forum erstellen |